Donnerstag, März 28, 2024

elena prolog" Tagebuch von Elena Eggl "

Die Tour de l'Aude gehört neben der Thüringen-Rundfahrt zu den wichtigsten und schwersten Rundfahrten des Frauen-Radsports.

Thomas Liese ist in diesem Jahr für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) mit einer sehr jungen Mannschaft in Südfrankreich am Start.

Zu den Teilnehmerinnen, die er für das Rennen mit Prolog und neun Etappen nominiert hat, gehört auch die erst 20-Jährige Elena Eggl von forice 89 Dachau/Team Stuttgart, die damit ihren ersten Einsatz im BDR-Trikot abliefert.

LEZIGNAN Corbières , 18. Mai 2009

Früher als gedacht melde ich mich ein letztes Mal aus Frankreich, da für mich leider nach einem Sturz bei der gestrigen 3. Etappe die Rundfahrt vorbei war.

Von unserem nicht so tollen Abschneiden beim Mannschaftszeitfahren ließen wir uns nicht entmutigen und standen gut gelaunt am Start zur 3. Etappe, einem Straßenrennen über 116km. Ich freute mich riesig dass ich die beiden Zeitfahren überstanden hatte und dass es nun bald in die Berge gehen würde, denn da wollte ich mal sehen wie gut ich in einem solchen Feld mithalten kann.

Die Etappe war von Beginn an recht hektisch, da es immer wieder Straßenverengungen gab woraufhin im Feld kräftig gebremst wurde. Nach gerade einmal 16km dann wieder so ein Moment, alles bremst, die Fahrerin vor mir haut voll den Stachel rein und macht einen Schlenker genau zu der Seite, wohin ich auch ausweichen will. Ich kann nicht mehr stark genug bremsen und knall voll in ihr Hinterrad, merke nur noch wie sich mein Rad unter mir selbstständig macht. Ich mache einen Abgang über den Lenker und lande so frontal auf dem Boden. Jemand hilft mir auf, ich merke nur dass mir das Blut runterläuft und schon werde ich in einen Krankenwagen verfrachtet.Die Dame sagt mir auf französisch, dass es nicht so schlimm sei, nur die Lippe aufgeplatzt, und dass sie mich ins Krankenhaus nach Carcassonne (wieso so weit weg ?) bringen würden zum Nähen. Ein Glück, die Zähne sind alle noch drinnen.
Ich werde noch in einen anderen Krankenwagen umgelagert und dann mit Tatütata ins Krankenhaus gebracht. Wegen dem Schock habe ich Schüttelfrost, doch ich werde einfach auf dem Gang abgestellt. Ein netter Herr aus Drenthe kommt zu mir und beruhigt mich ein wenig. Dann passierte lange Zeit gar nichts, nur daliegen und warten. Irgendwann höre ich jemanden sagen "Sie kümmern sich nicht um das Mädchen". Ganz verschwunden ist mein Französisch zum Glück doch noch nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt jemand und bringt mich in ein Zimmer, in dem mir ein Infirmier die Wunden säubert. Bald kommt dann auch ein Arzt, und unter örtlicher Betäubung kriege ich die Platzwunde oberhalb der Lippe mit 6 Stichen genäht.
Nachdem ich diese Tortur überstanden hatte, wurde noch mein Ellenbogen geröntgt, aber zum Glück nichts gebrochen. Als ich dann nach 4 Stunden Odyssee endlich fertig bin, wartet zum Glück schon Herr Liese auf mich, war ich froh endlich ein bekanntes Gesicht zu sehen.
Zurück im Quartier wurde ich dann von der ganzen Mannschaft empfangen und von unseren Physios umsorgt.

Denise hat bei der Etappe einen grandiosen dritten Platz gemacht, super! Ich werde in den nächsten Tagen oft an die Mädels denken und ihnen die Daumen drücken.

Jetzt bin ich natürlich ziemlich geknickt, ich hatte mich so auf die Etappen in den Bergen gefreut, und so war die Tour de l'Aude für mich schon vorbei bevor sie eigentlich richtig angefangen hatte. Wegen den Fäden hab ich natürlich erst mal Sportverbot, mal sehen wie meine Saison danach weiter geht.

Port la Nouvelle, 17. Mai 2009

Mit dem Mannschaftszeitfahren stand heute für mich meine "Angstetappe" an. Nach dem Mittagessen begaben wir uns in Richtung Port La Nouvelle und fuhren als erstes die Strecke besichtigen. Hierbei konnten wir auch gleich unsere Wechsel üben - wir fahren schließlich gerade einmal seit drei Tagen zusammen und ein Mannschaftszeitfahren war für mich (ich noch dazu ohne Zeitfahrrad) und Lina zudem komplett Neuland. Mir gab das Training eher wenig Zuversicht fürs Rennen, aber es half mir dann doch sehr, dass mir alle gut zuredeten.

Vor dem Start war ich das reinste Nervenbündel, und dann hat mich der Festhalter auch noch zu spät losgelassen... nach den ersten paar Kurven war der Großteil der Aufregung aber dann verflogen und ich konzentrierte mich nur noch auf unsere Reihe und "mein Hinterrad" von Lina an dem ich mich heute gedachte festzubeißen.

Die ersten Kilometer waren noch sehr ungleichmäßig zu fahren, ein Kreisverkehr nach dem anderen, aber dann kam eine elend lange Gerade auf der wir gut auf Fahrt kamen, immer so knapp um Tempo 50. Die Mädels leisteten wirklich allesamt super Arbeit, großen Respekt!

Dann kam er langsam in Sicht, der Berg, welcher gemeinerweise den Rhythmus ziemlich unterbrach. Einmal kräftig auf die Zähne beißen und drüber über die Kuppe. Dann noch ein fieser Gegenhang, vor dem ich zuvor so gebangt hatte, alles heil überstanden, zu sechst gehen wir auf die letzten 10km der 27km.

Diese gingen auch langsam vorbei, und als ich bei der 5km Marke noch immer mit dabei war machte sich so langsam Erleichterung in mir breit. Wenn ich jetzt noch flöten gehe, sollte die Karenzzeit kein Thema mehr sein. De letzten drei Kilometer, noch eine etwas haarige Kurve zu überstehen, dann nur noch Tempo Tempo Tempo.Die drei mit den größten Reserven sprinteten ins Ziel (es zählten die ersten drei Fahrerinnen für die Wertung), und ich rettete mich auch noch die letzten Meter über die Linie.

Ich war so heilfroh als ich diese Etappe hinter mir hatte und wir alle gemeinsam ins Ziel kamen! Echt eine tolle Mannschaftsleistung, ohne vorher zusammen trainiert zu haben. Ich konnte heute leider nicht allzu viel helfen und bin nicht so viel Führung gefahren, aber ich hoffe dass ich der Mannschaft in den nächsten Tagen auch noch helfen kann.

Ergebnisse von heute gibt es leider noch keine, ich weiß nur so viel dass Nürnberger vor Cervelo gewonnen hat.

Morgen steht mit 116km wieder eine ziemlich lange Etappe auf dem Programm, mit einer Bergwertung der zweiten Kategorie.

Rieux Minervois, 16. Mai 2009

Heute konnten wir gemütlich in den Tag starten, da wir erst um 12 Uhr zum Etappenstartort (welcher auch der Zielort war) aufbrechen mussten, der Start erfolgte um 14 Uhr. Das Wetter hatte sich sehr zu unseren Gunsten gedreht, der Wind hatte nachgelassen und der Himmel so blau wie er nur sein konnte bei angenehm warmen 24°C (welche einem während dem Rennen eher ziemlich heiß vorkamen).

Nachdem wir von unseren Physios alle mit Flaschen, Riegeln, Gels und ähnlichem versorgt worden waren rollten wir zum Start und standen etwa in der Mitte des Feldes. Die ersten 600m wurden neutralisiert gefahren, und dann gings los auf 116,5km! Direkt bei 1km ein kleiner „Hügel", welcher allerdings noch in humanem Tempo zurückgelegt wurde, wie auch die ersten 20 Rennkilometer. Dann gab es die ersten Attacken und einige Fahrerinnen konnten sich auch absetzten. Eine Holländerin fuhr daraufhin über 80km allein an der Spitze, eine starke Leistung.

Meine Nervosität legte sich mit der Zeit, weil ich gut ins Rennen reinkam und auch im Feld keine Probleme hatte. Diese großen Felder sind ja doch noch was neues für mich, ist schon was anderes in einem Pulk von über 100 zu fahren oder zu zehnt. Bin aber immer gut im vorderen Drittel mitgekommen, was das anbelangt war ich heute eigentlich ganz zufrieden mit mir. Und es ist schon mal ein tolles Gefühl zwischen Radsportgrößen wie der Weltmeisterin Marianne Vos und Ina Teutenberg zu fahren - Namen, die man sonst eher in der Zeitung liest.

Das Gelände war größtenteils flach, doch immer wieder einige Wellen die bei dem Tempo auch ganz schön unangenehm waren. Für Aufregung im Feld sorgten immer die Ortsdurchfahrten, gespickt mit engen Gassen, scharfen Kurven und schönen "speed bumps".

Als wir uns der Bergwertung näherten, versuchte ich mich möglichst weit nach vorne zu arbeiten - doch plötzlich macht es krach vor mir, ich sehe zwei Fahrerinnen und zwei Räder durch die Luft fliegen. Ich kriege grad noch die Kurve und entkomme dem drohenden Sturz. Doch meine gute Position war erst mal flöten und so war ich leider nicht vorne dabei als es in den Anstieg reinging. Eine scharfe Linkskurve und dann ein steiler Stich. Doch oh Schreck, genau in dieser Haarnadelkurve stand ein Mädel mit ihrem Rad in der Hand, um die wir alle erstmal rum mussten - das kostet natürlich Tempo. Das wieder draufzukriegen war am Berg verdammt unangenehm. Etwa 200 Höhenmeter waren auf 3km zurückzulegen, und oben gab es eine Bergwertung der 2. Kategorie. Deshalb wurde natürlich vorne richtig Tempo gemacht und attackiert, sodass bald die ersten Löcher rissen. Ich fuhr mit einer Gruppe hinter dem großen Feld über den Berg, doch wir waren bald wieder drin in der großen Masse.

Ich konnte mich bald wieder gut erholen und so ging es auf die letzten gut 60km. Hier passierte zunächst nicht mehr viel spektakuläres, das Team Highroad und Nürnberger spannten sich vors Feld um die Ausreißer einzuholen und alles für eine Sprintankunft zu bereiten. Einige unangenehme Wellen hielt das Profil noch für uns bereit, doch schnell gingen die Kilometer vorüber und so langsam wurde es hektisch im Feld. Der Kampf um jede Position wurde härter und da, "Arrivée 5km", war ich froh dieses Schild zu sehen, das hohe Tempo machte sich doch bemerkbar. Diese paar Kilometer waren nochmal ziemlich hart, keine Verschnaufpause mehr. Die Ausreißerin wurde noch rechtzeitig vor dem Ziel gestellt, die Teams hatten ihre Aufgabe erfüllt. Ich habe nun nicht mehr voll in den Positionskampf reingehalten, denn ob ich nun 35. oder 65. werde ist ja nicht wirklich von Bedeutung. Dann - die Ziellinie in Sicht, Erleichterung macht sich breit. Auf Platz 47 bin ich gelandet - gar nicht schlecht. Und in der Gesamtwertung habe ich mich auch schon in die ersten hundert vorgearbeitet...

Für mich liefs heute ganz ordentlich, hab mich gut zurechtgefunden und den Tag im Feld gut überstanden. Denise ist als 21. haarscharf an den Top20 vorbeigeschrammt, Gini (96.) und Lina (93.) rollten mit dem Feld ins Ziel. Janine und Jana hatten leider Pech, sie waren vor dem Anstieg in einen Sturz verwickelt, Janine musste sogar das Rad wechseln. Die beiden kamen mit einer Gruppe rein.

Morgen steht das Mannschaftszeitfahren auf dem Programm, vor dem ich persönlich schon ein wenig Bammel habe - ist es schließlich mal wieder eine Premiere für mich. Schau mer mal, ich hoffe ich überlebe den Tag:)

Viele Grüße aus dem sonnigen Frankreich Elena

Carcassonne, 15. Mai 2009

So, der erste Tag wäre heil überstanden.
Heute (Freitag) früh schließlich neuer Tag, neues Glück - neues Wetter. Der Wind hatte die Regenwolken davon getrieben und wir wurden vom blauen Himmel und von Sonne überrascht. Dafür ein brutaler Wind, der immer noch stärker wurde. Nach dem Frühstück machten wir uns auf zur Besichtigung der knapp 4km langen Prologstrecke. Immerhin kam der Wind auf dem frei gelegenen Stück von vorne. Dafür stand am Anfang und Ende der Strecke der Wind voll drinnen.

Da für mich auf die Schnelle kein passendes Zeitfahrrad organisiert werden konnte, musste ich mit meinem normalen Straßenrad an den Start gehen. Naja, große Erwartungen legte ich nicht in diesen Prolog, war er doch meine absolute Zeitfahrpremiere.

Vor dem Start war ich richtig nervös, denn flach und windig mag ich gar nicht. Aber sobald ich von der Startrampe gerollt war, dachte ich nur noch treten treten treten, aber das war gar nicht so einfach bei dem Gegenwind. War ich froh als ich die ersten 900m geschafft hatte. Danach kam dann die Rückenwindpassage, und irgendwie gingen auch die restlichen drei Kilometer bis zum Ziel rum. Ich hab dann noch versucht die letzten 200m zu sprinten, aber die Beine waren so blau, dass nicht mehr viel ging.

Es kam wie erwartet und so hab ich nun die rote Laterne inne... um 0,8 Sekunden den vorletzten Platz verpasst. Ich trags mit Fassung, mein Terrain kommt auch noch. Ich freu mich auf die Straßenrennen.

Denise ist super gefahren und 28. geworden, was Platz 4 in der U23-Wertung bedeutet. Auch Lina hat sich gut geschlagen und ist als 43. noch in die Top 50 gefahren. In der Mannschaftswertung waren wir 14.

Somit ist mein erster Tag bei einer Rundfahrt vorübergegangen, ist schon angenehm wenn man umsorgt wird und abends eine Massage kriegt. Hoffentlich ist das Abendessen heute etwas geschmackvoller als gestern.
Morgen steht mit 116,5km gleich die längste Etappe auf dem Plan.

Carcassonne, 14. Mai 2009

Mittwoch haben wir uns ja schon in Kirchzarten getroffen. Sechs Sportlerinnnen, Bundestrainer Thomas Liese, zwei Physios und ein Mechaniker. Heute früh sind wir dann auf die lange Reise in den Süden gegangen - 900 Kilometer bis Carcassonne. Hier sind wir erst einmal von strömendem Regen empfangen worden. Hoffentlich bleibt das nicht so... Dazu dann die schlechte Nachricht, wir mussten noch einmal 70 Kilometer zurück ins Quartier, da unsere Sachen abliefern, dann wieder 70 Kilometer nach Carcassonne zur Teampräsentation. Zum Glück gab es dort Kekse. Die haben das Warten etwas erträglicher gemacht. Auf jeden Fall waren wir am Abend mal richtig froh, dass wir zum Essen und ins Bett gekommen sind - nach über 1000 Kilometern im Auto.